Objekt des Monats Januar / Industriemuseum Elmshorn https://www.industriemuseum-elmshorn.de/Das-besondere-Objekt/Objekt-des-Monats-Januar.php?object=tx%2C3892.5.1&ModID=7&FID=3892.263.1&NavID=3892.36&La=1&kat=3892.15&startkat=3892.15.1&sfkat=1&sfmonat=1&sfjahr=1
Nass, grau und kalt? Der Winter in Norddeutschland kann einem schon manchmal die Laune verhageln. Statt weißer Winterlandschaften erwarten einen vor der TÃŒr meist nur nasskaltes Wetter und Schneematsch auf den Straßen. Doch es gibt sie, die winterlichen Tage, an denen der Schnee tatsÀchlich liegen bleibt. Dann gibt es gerade fÃŒr Kinder oft kein Halten mehr. Eingepackt in warme Wintersachen wird der Schlitten aus dem Keller geholt und es geht ab nach draußen. FÃŒr viele Elmshorner sind wilde Rodelfahrten auf dem Butterberg im Liether Wald ein fester Bestandteil ihrer Kindheitserinnerungen und noch heute ist Elmshorns höchste Erhebung ein beliebter Anlaufpunkt fÃŒr Rodelbegeisterte jeden Alters. Skibobs, Plastikschalen, oder sogar aufblasbare Rutschmatten drohen zwar seit Jahren, dem typischen Schlittenmodell aus Holz den Rang abzulaufen, doch der Klassiker unter den Schlitten hat sich seinen festen Platz auf den Rodelpisten bewahrt. UnabhÀngig davon, fÃŒr welches Transportmittel man sich entscheidet, sie alle haben jedoch einen entscheidendem Nachteil – sie sind wenig flexibel. Gesteuert wird hÀufig nur durch die Verlagerung des eigenen Körpergewichts oder das Aufsetzen der FÌße. Solche Manöver gehen hÀufig zu Lasten der Geschwindigkeit und enden nicht selten im Schnee. Ein amerikanischer Schlitten in Deutschland GlÀnzend poliertes Holz, ein Aufdruck aus Stechpalmenzweigen und der rote Schriftzug Fire Fly – GlÃŒhwÃŒrmchen – machen das Objekt des Monats bereits zu einem echten Hingucker. Der eigentliche Glanzpunkt liegt jedoch im vorderen Teil dieses Schlittens. Das Metall der Kufen gibt mittig leicht nach und die T-förmige Querachse, an deren Enden sich Seile wie ZÃŒgel befestigen lassen, ist flexibel nach links und rechts beweglich und verleiht dem Fahrer so Kontrolle ÃŒber seine Fahrtrichtung ohne dabei an Geschwindigkeit einzubÌßen. Dieser Schlitten lÀsst sich steuern! Der Fire Fly der Firma S. L. Allen & Co. war das erste Modell einer Schlittenserie, die unter dem Namen Flexible Flyer seit Beginn des 20. Jahrhunderts Generationen von Amerikanern durch die Winter ihrer Kindheit begleitete. Bei diesem Schlitten handelt es sich um das Modell 12d, das in den 1920er Jahren in der Fabrik in Philadelphia produziert wurde. Gekauft wurde er vermutlich in Hamburg. Sein Vorbesitzer erhielt ihn 1974 von seinem Großvater als Weihnachtsgeschenk und nutzte ihn viele Jahre fÃŒr aufregende Rodelfahrten, auch auf dem Elmshorner Butterberg. Wie genau ein amerikanischer Schlitten unter einen deutschen Weihnachtsbaum gelangte, lÀsst sich leider nicht mehr nachvollziehen. Von der Erntemaschine zum Rodelschlitten Sein Schöpfer Samuel Leeds Allen (1841-1918) machte sich jedoch zunÀchst durch ganz andere Erfindungen einen Namen. Der Sohn einer QuÀkerfamilie aus Philadelphia grÃŒndete im Alter von 25 Jahren gemeinsam mit seinem Vater die Firma S.L. Allen & Co, die Erntemaschinen größtenteils nach Allens PlÀnen herstellte. Zu seinen ersten Patenten gehörte eine SÀmaschine, die aus zwei mit einem Metallring verbundenen Waschzubern bestand, in deren Seiten er zuvor Löcher gebohrt hatte. Mit ihren zwei Griffen aus Holz erinnerte sie ihn an den Ringplaneten Saturn und erhielt daher den Namen „Planet Drill“. Als Firmenlogo ziert der Planet auch die Unterseite des Schlittens. Bis zu seinem Lebensende hatte Allen fast 300 landwirtschaftliche Maschinen patentieren lassen. Doch warum der Wechsel von Erntemaschinen zu Rodelschlitten? Die Herstellung von landwirtschaftlichem GerÀt war ein saisonales Unterfangen. In der warmen Jahreszeit schwand die Nachfrage nach Allens Waren und die Mitarbeiter widmeten sich wieder der Feldarbeit. Um sein geschultes Personal ganzjÀhrig beschÀftigen zu können, benötigte er ein Produkt, das ÃŒber den Sommer produziert und im Winter verkauft werden konnte. Seine Wahl fiel auf Schlitten. „The Sled that Steers“ Allen, der als junger SchÃŒler selbst ein begeisterter Rodler war, kannte die Nachteile normaler Schlitten aus eigener Erfahrung. Einer seiner MitschÃŒler zog sich beim Rodeln eine schwere Kopfverletzung zu als er ungebremst in ein stehendes Auto raste. Allen entwickelte zunÀchst mehrere Prototypen, die er durch seine Tochter und ihre Freunde erproben ließ. Das Ergebnis seiner MÃŒhen war der Flexible Flyer, den er im August 1889 patentieren ließ. Das erste Modell der Reihe, der Fire Fly, wurde erstmals 1890 hergestellt. Der steuerbare Schlitten war zu jener Zeit eine absolute Neuheit. Wie die ersten Werbeanzeigen betonten war er schneller, sicherer und haltbarer als gewöhnliche Schlitten und blieb dabei trotzdem erschwinglich. Dennoch stellte sich der wirtschaftliche Erfolg nicht sofort ein. Die firmeneigenen VerkÀufer taten sich schwer damit, statt der ÃŒblichen Erntemaschinen die VorzÃŒge eines WintersportgerÀts zu bewerben. Erst als Allen zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann, sein Produkt in den Spielzeugabteilungen größerer KaufhÀuser zu vertreiben, schnellten die Verkaufszahlen in die Höhe. Im Winter des Jahres 1915 allein wurden 120.000 Schlitten verkauft. Flexible Flyer entwickelten sich schnell zu Prestigeobjekten auf den Rodelpisten. Auch nach Allens Tod 1918 stellte die Firma S.L. Allen & Co. weiterhin erfolgreich Schlitten und anderes WintersportgerÀt her bis sie 1968 schließlich verkauft wurde. In den folgenden Jahrzehnten wechselte sie mehrfach den Besitzer, die Produktion wurde 1999 endgÃŒltig eingestellt. Der Fire Fly wurde noch bis zuletzt produziert. Inventarnummer 2018-0381 Modell Fire Fly 12d Material Holz, Metall Technik lackiert, bedruckt Datierung 1920er Jahre Maße: L 114 cm, B: 58 cm, H: 16 cm Standort Depot, Industriemuseums Elmshorn
231 700 E-Mail: industriemuseum@elmshorn.de Öffnungszeiten Objekt des Monats Januar