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Vorurteile | Multikulturelles Forum e.V.

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Die drei Komponenten des Vorurteils Vorurteile werden meist als negative Einstellungen gegenüber einer Gruppe oder ihren Mitgliedern definiert. Die Vorurteilsforschung geht davon aus, dass Vorurteile aus drei Komponenten bestehen. Die kognitive Komponente bezeichnet die kognitive Fähigkeit, Menschen, Gegenstände, Vorgänge etc. intuitiv zu sortieren und zu Kategorien zuordnen. Diese Kategorien werden im Sozialisationsprozess erlernt. Das Elternhaus, das soziale Umfeld, das Bildungssystem, aber auch Medien usw. prägen und vermitteln diese Kategorien. Die kognitive Komponente führt also dazu, dass wir vermeintliches Wissen über eine Person erwerben, die aufgrund von bestimmten Merkmalen einer Gruppe zugeordnet wird (z.B. „Frauen sind anders als Männer“). Die affektive Komponente greift diese stereotypen Vorstellungen auf und verbindet sie mit negativen Emotionen, die sich dann nicht mehr nur auf die vermeintlichen Eigenschaften der Gruppe beziehen, sondern die Gruppe selbst als negativ oder defizitär wahrgenommen wird (z.B. „Frauen sind irrational und emotionsgeleitet“). Die dritte Komponente ist die Verhaltenskomponente. Sie bezeichnet die unfaire Behandlung von Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die sowohl in Form der aktiven Benachteiligung dieser Gruppen als auch in Form der Bevorzugung anderer Gruppen stattfinden kann (J. Schindler/A. Bartsch 2019). Ein Beispiel wäre, dass einer Frau eine Führungsposition verwehrt wird, weil sie (als Frau) für zu irrational und emotionsgeleitet gehalten wird. In der sozialen Interaktion mit Anderen stehen die drei Komponenten in einer engen Wechselbeziehung zueinander und sind kaum voneinander zu trennen. Implizite und explizite Vorurteile Darüber hinaus unterteilt man in implizite und explizite Vorurteile. Explizite Vorurteile sind solche, die der Person selbst bewusst sind und beispielsweise verbal geäußert werden oder auch abfragbar sind. Implizite Vorurteile existieren eher unterbewusst und werden durch bestimmte Reize, wie beispielsweise personelle Merkmale aktiviert. So konnte eine Studie der Universität Mannheim zeigen, dass Schüler:innen mit einem vermeintlichen Migrationshintergrund, bei gleicher Leistung, schlechter benotet werden als Kinder ohne Migrationshintergrund. Durchgeführt wurde die Studie mit Lehramtsstudierenden. Während die eine Gruppe ein Diktat von „Max“ benotete, erhielt die andere Gruppe ein identisches Diktat von „Murat“. Die Anzahl der gefundenen Fehler war dabei in beiden Diktaten gleich. Dennoch leiteten die Lehramtsstudierenden aus der gleichen Anzahl von Fehlern unterschiedliche Noten ab – mit Nachteil für die vermeintlich türkischen Schüler:innen. (Bonefeld/Dickhäuser 2018) Gruppenzugehörigkeiten und soziale Identität als Ursache Menschen neigen zu Vereinfachungen, um sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden und trotz begrenzter Ressourcen orientierungs- und handlungsfähig zu bleiben (J. Schindler/A. Bartsch 2019). Dazu kommen evolutionsbedingte und existenzielle Grundbedürfnisse: das Bedürfnis nach Zugehörigkeit oder das Bedürfnis nach Selbstaufwertung (Fiske 2000). Die Theorie der sozialen Identität versucht zu erklären, wie wir uns als Individuum selbst und Andere in der Welt verorten. Sie geht zunächst davon aus, dass jeder Mensch das Grundbedürfnis nach einer positiven Selbsteinschätzung hat, die wir über unsere Gruppenmitgliedschaften klären. Beispielsweise die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, das Geburtsland, aber auch die Zugehörigkeit zu einem Sportverein sind solche Gruppen. In diesem Prozess der Zuordnung und Abgrenzung zu Gruppen kommt es dann zur Favorisierung der eigenen Gruppe (Ingroup), bei gleichzeitiger Ablehnung der Fremdgruppen (Outgroups). Wie können Vorurteile abgebaut werden? Der wohl wichtigste Schritt, den jede:r selbst tun kann, um gegen die eigenen Vorurteile vorzugehen, ist die Bewusstwerdung der eigenen Kategorien und Schubladen im Kopf und die kritische Reflexion dieser. Außerdem sollte jede:r versuchen sich in seinem/ihrem Handeln nicht von den eigenen Vorurteilen leiten zu lassen. Vorurteile dürfen nicht dazu führen, dass Menschen anders behandelt oder diskriminiert werden. Neben der kritischen Reflektion der eigenen Vorurteile kann der Kontakt von In- zu Outgroup-Mitgliedern eine weitere Interventionstechnik sein. Dass Vorurteile durch Kontakt vermindert werden können, wurde empirisch bestätigt. Der Abbau von Vorurteilen steht dabei nicht zwingend im Zusammenhang mit der Begegnung selbst, sondern ist von den Umständen des Kontaktes abhängig. Vorurteile abbauen beim Multikulturellen Forum Der Abbau von Vorurteilen ist  ein wichtiges Thema in den Projekten und Maßnahmen des Multikulturellen Forums. Mittels partizipativer, selbstreflexiver Methoden in unseren Workshops, Seminaren und anderen Bildungsangeboten zeigen wir die Entstehung von Vorurteilen auf und regen dazu an, die eigenen Vorurteile wahrzunehmen und zu reflektieren. In unseren vielfältigen Begegnungsangeboten ermöglicht das Multikulturelle Forum einen intensiven Austausch und Perspektivwechsel mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion, sexueller Orientierung usw., in denen Menschen auf Augenhöhe zusammenkommen und mehr voneinander lernen können. Literatur Bonefeld, M./Dickhäuser, O. (2018): Grading of Students’ Performance: Students’ Names, Performance Level, and Implicit Attitudes, in: Zeitschrift Frontiers in Psychology Fiske, S. (2000): Stereotyping, prejudice, and discrimination at the seam between the centuries: Evolution, culture, mind, and brain, in: European Journal of Social Psychology, 30(3) Schindler, J./Bartsch, A. (2019): Vorurteile – Medien – Gruppen. Wie Vorurteile durch Medienrezeption in Gruppen beeinflusst werden, Wiesbaden: Springer VS
August 2023 Solidarität und Erinnern – Europäischer Holocaust-Gedenktag für die Roma

Othering | Multikulturelles Forum e.V.

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Die permanente Grenzziehung Das Konzept des Othering ist im Kontext der postkolonialen Theorie entstanden. Es wurde vor allem durch Autoren wie Edward Said und Gayatri C. Spivak geprägt. Postkoloniale Theorie bezeichnet verschiedene theoretische Zugänge zu und kritische Auseinandersetzungen mit historischen und gegenwärtigen Machtverhältnissen, die im Zusammenhang mit dem europäischen Kolonialismus stehen. Die Grundannahme ist, dass sich die im Kolonialismus etablierten Machtverhältnisse bis heute fortschreiben und in der aktuellen Gesellschaft verhaftet sind. Othering verweist auf einen Akt der permanenten Grenzziehung, bei dem Menschen mittels Stereotypen und Vorurteilen (Verlinkung zum Text Vorurteile) zu „Anderen“ gemacht werden. „Die Anderen“ werden dabei als nicht-zugehörig und abweichend kategorisiert. Grundlage des Othering ist, ähnlich wie bei Vorurteilen, das Bestreben, sich selbst und andere anhand von Gruppenzugehörigkeit (In-und Outgroups) einzuordnen. Im Prozess der Grenzziehung wird das „Eigene“ als positiv und übergeordnet angesehen. Die Machtkomponente Der Prozess des Othering geschieht häufig innerhalb von Machthierarchien. Oftmals sind es Angehörige der „Mehrheitsgesellschaft“, die Menschen beispielsweise aufgrund von äußerlichen Merkmalen als „anders“ kategorisieren. Die Person, die die Grenzziehung vornimmt, reproduziert dabei bewusst oder unbewusst eine bestimmte Vorstellung von Normalität. In einer pluralen und heterogenen Gesellschaft ist eine solch starre Vorstellung davon, was „normal“ ist, problematisch und grenzt Individuen und gesellschaftliche Gruppen aus. Deswegen führt Othering oft auch zu Diskriminierungen. Nicht selten finden beispielsweise die Debatten über den Islam bzw. Muslim:innen in Deutschland in einem solchen grenzziehenden und negativ zentrierten Bezugsrahmen statt. Das immer noch geläufige Argument einer dem Islam inhärenten Gewaltkultur gegenüber Frauen und dem Kopftuch als vermeintlichem Unterdrückungssymbol verfestigt das Fremdbild muslimischer Geschlechterungleichheit („nicht-deutsch“) und stützt gleichzeitig das Selbstbild einer „westlichen“ Geschlechtergleichheit („deutsch“) (Keskinkilic 2016). Während aber Vorurteile praktisch jeder Mensch hat, geht Othering meist von gesellschaftlichen Gruppen aus, die über Privilegien verfügen. Als besonders privilegiert gelten beispielsweise Menschen, die über Attribute wie weiß, männlich, heterosexuell, finanziell abgesichert, verfügen. Aufgrund ihrer hohen gesellschaftlichen Akzeptanz schützen diese Attribute vor Rassismus, Armut und sonstigen Lebensrisiken und gelten deswegen als Privilegien. Othering zielt als Konzept also stärker auf soziale Ungleichheiten und führt als Praxis zur Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen, entlang von Klasse, Gender, Sexualität oder zugeschriebener ethno-kultureller oder religiöser Zugehörigkeit. Ein Beispiel für Othering… zeigte sich 2019 im Kontext der Fernsehshow „Das Supertalent“: Hier fragte Dieter Bohlen (Juror der Show) eine junge Kandidatin (geboren in Herne) solange wo sie denn herkomme, bis die Mutter der Kandidatin ihr eigenes Geburtsland als Herkunft angab. Hashtags wie #vonhier oder #metwo versuchen Othering und alltäglichen Rassismus in Deutschland zu thematisieren. Betroffene berichten von alltäglichen Situationen, in denen ihnen, durch zunächst „nett gemeinte“ oder interessierte Aussagen suggeriert wird, anders und nicht zugehörig zu sein. Das führt soweit, dass junge Muslim:innen, Jüd:innen und People of Color, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, aufgrund der fortwährenden Erfahrungen mit Othering, sich selbst nicht als zugehörig fühlen. Die Privilegien bestimmter Gruppen und die Benachteiligung und Diskriminierung anderer Gruppen werden oft nicht hinterfragt, da bestehende und vertraute Strukturen erst einmal als ungerecht und veränderbar erkannt werden müssen. Voraussetzung, um gegen Othering als Praxis vorzugehen, wäre vor allem tief verankerte Normvorstellungen aufzubrechen und an die gesellschaftliche Realität anzupassen. Sensibilisierungsarbeit Im Multikulturellen Forum greifen wir das Thema Othering in verschiedenen Projekten auf und versuchen durch Bildungsarbeit für die Problematik zu sensibilisieren. Das Projekt „Muslime im Dialog: Verbunden – Vernetzt – Selbstbestimmt“ nimmt Muslim:innen als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft in den Fokus. Unter dem Motto „More than one Story“ wollen wir identitätsstiftende Narrative und diverse Vorstellungen von Heimat und Zugehörigkeit mit jungen Muslim:innen möglichst kreativ bearbeiten. Es werden Räume geschaffen, in denen zum einen Vorurteile, Stereotype und eigene Erfahrungen von Ausschluss thematisiert werden können. Zum anderen werden die Jugendlichen in ihrem Empowerment bestärkt, indem sie ermutigt und unterstützt werden, ihre eigenen Perspektiven im Hinblick auf das Zusammenleben zu entwickeln und in den Diskurs einzubringen. Fragen wie: „Wie stelle ich mir Gesellschaft vor? Welche Werte sind mir wichtig? Was wünsche ich mir für meine Zukunft? Wie können wir besser Zusammenleben?“ stehen hier im Fokus. Auch im Projekt „Objektiv-junge Medienmacher mit Durchblick“ haben wir uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Juden und Jüdinnen werden seit Jahrhunderten als fremd und andersartig wahrgenommen und vor diesem Hintergrund verfolgt und vernichtet. Aber auch ganz aktuell werden antisemitische Verschwörungsnarrative wieder virulent. In dem Projekt haben wir uns verschiedene Medienformate angeguckt und danach gefragt, welche Rolle Medien in der (Re-)Produktion von Vorurteilen spielen und inwiefern sie zum Othering bestimmter gesellschaftlicher Gruppen beitragen. Literatur Keskinkiliç, O. (2016): Antimuslimischer Rassismus: Figuren, Funktionen und Beziehungen zum Antisemitismus, in: Migrationspolitisches Portal-Heinrich-Böll-Stiftung Weiterführende Literatur Said, E. (2012): Orientalismus, 3. Auflage, Frankfurt am Main Spivak, Gayatri C. (1988): Can the Subaltern Speak? In: Cary Nelson/Larry Grossberg. (Hrsg.): Marxism and the Interpretation of Culture. Urbana/IL: University of Illinois Press: 66–111 Ha, M./Trinh,T. (1989): Woman, Native, Other: Writing Postcoloniality and Feminism, Bloomington Attia, Iman (2009): Die „westliche Kultur“ und ihr Anderes. Zur Dekonstruktion von Orientalismus und antimuslimischen Rassismus, Bielefeld
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